Die Rückstellung des „arisierten“ Eigentums

„Sachwerte kann man ersetzen. Aber bei uns sind die Leute umgebracht worden, die kann man nicht mehr ersetzen.“ (Stella Morgenstern)

„Julius und Adele Körner werden aufgefordert, vor dem gefertigten Gerichte zu erscheinen oder auf andere Weise von sich Nachricht zu geben." Solche makabren Aufrufe erließ ordnungsgemäß das St. Pöltner Amtsblatt, um das Verfahren zur Todeserklärung von verschollenen Juden und Jüdinnen einleiten zu können. Julius und Adele Körner waren am 19. Mai 1942 wahrscheinlich nach Minsk deportiert worden. 



Am 14. November 1945 ordnete die Landeshauptmannschaft Niederösterreich die Erfassung „arisierter“ und entzogener Vermögen an. Die neuen Besitzer waren verpflichtet, diese anzumelden. Die Überlebenden oder deren Erben erhielten ihr Eigentum zurück oder schlossen mit den „Ariseuren“ Vergleiche ab. Viele geflohene Juden waren allerdings nicht bereit, nach St. Pölten zurückzukehren, und verkauften den Besitz.

Bis zum Ende des Jahres 1948 waren die meisten Häuser rückgestellt. Einzelne Verfahren, wie das des Hauses von Dr. Julius Fischer und Dr. Paul Kohner in der Heidenheimerstraße 21–23, zogen sich bis 1958 hin, weil das Eigentum von der Stadt auf den Reichsfiskus Heer und dann auf die Sowjetarmee übergegangen war.

Mit den Rückstellungen war als Magistratsdirektor Dr. Leo Schinnerl betraut, der vormalige Sachbearbeiter für die „Liegenschaftsentjudung“. Er ist Symbolfigur für die – nicht nur – österreichische Beamtenkontinuität unter den unterschiedlichsten politischen Verhältnissen.

Manche Vertriebene ließen sich von den – durch den Krieg verarmten – „Ariseuren“ überreden und unterschrieben Verzichtserklärungen. Einige erhielten in Aufbewahrung gegebene Wertgegenstände nicht zurück. Der in den ersten Tagen nach dem „Anschluss“ noch „unbürokratisch“ geraubte Besitz war verloren, desgleichen die auf NS-Sperrkonten eingezahlte Reichsfluchtsteuer und andere Zwangsabgaben.

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