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gelbrudolf
Rudolf
Gelb
17.01.1909
Unterratzersdorf
27.01.1992
St. Pölten
Kaufmann
Daniel-Gran-Straße 34, St. Pölten
Herrengasse 1, St. Pölten
Vom 14. November 1938 bis zum 18. April 1939 in Dachau interniert; Flucht über Italien nach Frankreich. Dort verhaftet und am 27. Oktober 1942 in die Schweiz geflohen, dort abermals interniert. Am 2. Oktober 1946 Rückkehr nach St. Pölten
Wilhelm
Mathilde
Eltbogen
Amalie
Schuster

Der jüngere Sohn, Rudolf, betrieb in der Daniel-Gran-Straße 34 ein Kaufmannsgeschäft, das er am 1. Oktober 1937 von Johanna Holub gepachtet hatte. Diesen Pachtvertrag löste er am 3. Mai 1938 auf und der Neunkirchner Alfred Ritter übernahm die Pacht und kaufte Gelb das Warenlager um RM 1214,37 ab. Auf der Mauer von Gelbs Geschäft stand eines Tages zu lesen: „Jude verrecke”. Am 11. November 1938 wurde er verhaftet und am nächsten Tag nach Wien in die Rossauerkaserne transportiert, wo sämtliche persönliche Daten aufgenommen wurden und er verhört, schikaniert, geschlagen und gefoltert wurde. Schließlich kam er mit seinem Bruder Hermann nach Dachau, wo er vom 14. November 1938 bis 18. April 1939 in Haft war; Hermann wurde erst am 12. Mai entlassen. In den folgenden Monaten arbeiteten die Brüder beim Bau der Reichsautobahn mit. „Ich und mein Bruder waren die bestbezahlten Arbeiter am Platz, da wir am meisten arbeiteten, weil wir ja Angst hatten.” Da sich die Lebensbedingungen für Juden immer mehr verschlechterten, beschlossen Rudolf und Hermann Gelb, das Land zu verlassen: „Wir durften nirgends hingehen […] Die Leute spuckten uns ja an. Ja, sogar die Schulkinder, die bekamen den Auftrag von den Lehrern. Auch bekamen wir fast nichts zum Kaufen. Erst bekamen die ›Arier‹ und was blieb, bekamen wir.” Am 15. Dezember 1939 meldeten sich die Brüder Hermann und Rudolf nach Italien ab. Sie reisten mit Alfred R., dessen Vater Josef, Leopold Tüchler und wahrscheinlich auch dessen Frau und schrieben von Innsbruck noch eine Ansichtskarte an ihre Eltern. Später waren beide in Frankreich interniert und flüchteten 1942 in die Schweiz, wo sie wiederum interniert, aber von ihrem Cousin Paul Gelb und dem Hilfskomitee für (ehemalige) Österreicher in der Schweiz unterstützt wurden. 1946 kehrten sie nach Österreich zurück, benötigten dazu aber eine Bestätigung, daß die Familie ihrer Schwester Anna Mattes für ihren Lebensunterhalt aufkommen werde, da ihnen als Juden die Staatsbürgerschaft entzogen worden war.

Bericht von Rudolf Gelb über seine Erlebnisse in Dachau. Rudolf Gelb sprach seinen Bericht lange nach dem Krieg auf Tonband. Im Zuge des Novemberpogroms wurde er verhaftet und nach Wien gebracht, von dort nach Dachau: „Dem nächsten Tag wurden wir mit dem Grünen Heinrich am Westbahnhof gebracht. Natürlich hineingepfercht wie’s nur ging. Es wurden dabei viele zertreten. Und am Bahnhof mussten wir Spießruten laufen. Dies war folgendermaßen: Links und rechts standen SS-Männer mit Bleikugeln auf den Spießruten darauf und Gewehren. Beim Durchlaufen wurden uns Beine gestellt, sodass wir fallen mussten. Den Rest können Sie sich vorstellen, wie wir in die Waggons gekommen sind. Zerschlagen und zerschunden wurden wir in die Abteils gepfercht. Wo normal acht Personen Platz hatten, waren wir 30 Mann. […] Nach Stunden ging die furchtbare Fahrt nach Dachau ins Konzentrationslager los. Während der Fahrt wurden unmenschliche Greueltaten an uns vollbracht.” Den Häftlingen wurden etwa neben einer Reihe anderer Schikanen von den Wachmannschaften Fragen gestellt und gleichgültig, welche Antwort diese gaben, sie wurden geschlagen, „da ja die Juden nur lügen. […] Wie viele diese Fahrt überlebten, kann ich nicht sagen, weil die Toten wurden gleich in einen Extrawaggon gebracht. Bei der Ankunft in Dachau ist gleich einer wahnsinnig geworden und hat geschrien. Er wurde auf der Stelle erschossen. Ich war erstaunt, auf einmal so viele Juden zu sehen. […] Dann mussten wir ins Bad. Dort standen wir stundenlang. Vorher aber wurden uns Häftlingskleider in die Hände gedrückt, anziehen durften wir die Kleider erst nach dem Bad. […] Nun die Schlafgelegenheiten: In einer Baracke sind normal vier Räume, Belegschaft 50 Mann und ein Aufsichtsorgan, das war ein ›Arier‹. Also vier Räume sind 204 Personen. Wir waren aber in einem Raum 600 Personen, also in einer Baracke 2404 Mann. […] Nun kommt das Lagerleben, und man muss sich vorstellen, in Dachau war alles auf Angst und Schrecken aufgebaut. […] Da es drei Monate Winter keine Außenarbeit gibt, wird im Lager schikaniert. Z. B. wird jeden Tag zwischen den Baracken exerziert. Aber natürlich nur mit Liegestützen, Kniebeugen, Laufen usw. Wenn es Schnee gegeben hatte, mußte der Lagerplatz geräumt werden. Die ›Arier‹ durften einladen, Juden nur mit der Scheibtruhe fahren. Dies natürlich immer im Laufschritt. Ein Gehen hatte es im Lager überhaupt nicht gegeben. Viele konnten dies nicht durchhalten. Leider mussten die mit ihrem Leben büßen.” Eines Tages besuchte der Reichsführer-SS Himmler das Lager mit mehreren Auslandsjournalisten: „Da fassten wir jeder ein Leintuch, ein Messer, eine Gabel, da waren wir ja nur mehr normale Belegschaft, also nur mehr 50 bis 60 in einer Stube. Also in Eisenbetten. Wir mussten das Leintuch ins Bett breiten, und ein Polster wurde auch verteilt und überzogen. Mittag kam Himmler mit den Journalisten ins Lager. Wir bkamen Essen. Wir waren erstaunt: Es gab eine Suppe, Selchfleisch, Pellkartoffeln und Kraut. Die Journalisten staunten natürlich, dass es uns so gut geht. Um 2 Uhr fuhren alle wieder weg. Nach Minuten wurde durch Lautsprecher durchgegeben, was wir gefasst haben, muß in einer halben Stunde alles abgegeben werden. […] Nun komme ich zur Entlassung. […] Ich musste zur Untersuchung, denn wenn einer nur die geringste Verletzung hatte, wurde man nicht entlassen, denn das Volk durfte ja nicht wissen, wie es in Dachau war. Es wurde uns bei der Entlassung ans Herz gelegt, "Wenn einer von euch nur ein Wort über das Lager Dachau erzählt, kommt er garantiert wieder zurück. Aber für immer!" Wie damals die Verhältnisse waren, getraute ich mir nicht einmal meinen eigenen Eltern zu erzählen. Wenn ich heute zurückdenke, wie ich in der Bahn gesessen bin, wir trauten uns mit niemandem sprechen, nicht einmal anschauen trauten wir uns die Leute."

The younger son, Rudolf, ran a business at Daniel-Gran-Straße 34, which he had leased from Johanna Holub on 1 October 1937. He terminated this lease on 3 May 1938 and Alfred Ritter from Neunkirchen took over the lease and bought the warehouse from Gelb for RM 1214,37. On the wall of Gelb's shop one day was written: “Jude verrecke”. He was arrested on 11 November 1938 and transported to the Rossauer barracks in Vienna the next day, where all his personal details were recorded and he was interrogated, harassed, beaten and tortured. He was eventually sent to Dachau with his brother Hermann, where he was imprisoned from 14 November 1938 to 18 April 1939; Hermann was released on 12 May. In the following months, the brothers worked on the construction of the Reich motorway. “Me and my brother were the best-paid workers on the site, as we worked the hardest because we were afraid.” As living conditions for Jews continued to deteriorate, Rudolf and Hermann Gelb decided to leave the country: “We weren't allowed to go anywhere [...] People spat at us. Yes, even the schoolchildren, they got the order from the teachers. We also got almost nothing to buy. First the 'Aryans' got it and what was left, we got.” On 15 December 1939, the brothers Hermann and Rudolf left for Italy. They travelled with Alfred R., his father Josef, Leopold Tüchler and probably also his wife and wrote a postcard to their parents from Innsbruck. Later, both were interned in France and fled to Switzerland in 1942, where they were interned again but supported by their cousin Paul Gelb and the Relief Committee for (former) Austrians in Switzerland. They returned to Austria in 1946, but needed confirmation that the family of their sister Anna Mattes would provide for their livelihood, as they had been deprived of their citizenship as Jews.

Report by Rudolf Gelb about his experiences in Dachau. Rudolf Gelb recorded his report on tape long after the war. He was arrested during the November pogrom and taken to Vienna, from there to Dachau: “The next day we were brought to Westbahnhof on the “Grünen Heinrich”. Of course we were crammed in as tightly as we could. Many of us were trampled on. And at the station we had to run gauntlets. It was like this: SS men stood to the left and right with lead pellets on the gauntlets and rifles. As we ran through, we were tripped up so that wefell. You can imagine the rest, how we got into the railway wagons. We were crammed into the compartments, battered and bruised. Where there was normally room for eight people, there were 30 of us. [...] After hours, the terrible journey to Dachau concentration camp began. During the journey we were subjected to inhuman atrocities.” In addition to a series of other harassments, the prisoners were asked questions by the guards and no matter what answer they gave, they were beaten, “because the Jews only lie. [...] I can't say how many survived this journey, because the dead were taken straight to an extra wagon. On arrival in Dachau, one of them immediately went mad and screamed. He was shot on the spot. I was astonished to see so many Jews all at once. [...] Then we had to go to the baths. We stood there for hours. Before that, however, we were given prisoners' clothes, which we were only allowed to put on after the bath. [...] Now the sleeping quarters: There are normally four rooms in a barrack, a staff of 50 men and a supervisor, who was an 'Aryan'. So four rooms are 204 people. But we were 600 people in one room, so 2.404 men in one barrack. [...] Now comes camp life, and you have to imagine that everything in Dachau was based on fear and terror. [...] Since there is no outside work for three months in winter, there is harassment in the camp. For example, every day there was exercise between the barracks. But of course only with push-ups, squats, running, etc. If there was snow, the camp site had to be cleared. The 'Aryans' were allowed to load, Jews were only allowed to drive with the wheelbarrow. Of course, they always had to run. There was no walking at all in the camp. Many were unable to keep this up. Unfortunately, they had to pay with their lives.” One day, Reichsführer-SS Himmler visited the camp with several foreign journalists: “We each grabbed a sheet, a knife, a fork, we were just normal staff, so only 50 to 60 in a room. So in iron beds. We had to spread the sheet on the bed, and a cushion was also distributed and covered. Himmler came into the camp with the journalists at midday. We were given food. We were amazed: there was soup, smoked meat, jacket potatoes and cabbage. The journalists were of course amazed that we were doing so well. Everyone left again at 2 o'clock. After a few minutes it was announced over the loudspeaker that everything we had been given had to be handed in within half an hour. [...] Now I come to the release. [...] I had to go for an examination, because if someone had even the slightest injury, they weren't released, because the people weren't allowed to know what it was like in Dachau. When we were released, we were told, ‘If one of you says one word about the Dachau camp, you're guaranteed to come back. But forever!’ I didn't even dare tell my own parents what conditions were like back then. When I think back today, sitting on the train, we didn't dare speak to anyone, we didn't even dare look at people.”



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