Während und nach dem Krieg
Nach dem Plan der NSDAP sollte die Synagoge »auf Kosten des Judenkapitals« abgerissen, das Kantorhaus renoviert und an die Partei abgetreten werden. Zu einem Abriss kam es jedoch nicht: in das Kantorhaus zog die SA-Standarte 21 ein und beantragte die Wohnung des nichtjüdischen Ehepaars Diete.
Den Verbleib des Ehepaars lehnte die SA ab, da dieses „früher die Geschäfte des Hausbesorgers im Judentempel und beim Rabbiner“ besorgt hatte und es untragbar sei, dass „die ehemaligen Hausbesorger beim Judentempel ihre Tätigkeit bei der SA fortsetzten.“
Die IKG wurde beauftragt, „Bauschäden“ am Gebäude kurzfristig auf eigene Kosten zu beheben. Da sie nicht dazu in der Lage war, erwarb die Stadt St. Pölten, die sämtliche Liegenschaften der IKG „arisiert“ hatte, die Synagoge. Der Kaufpreis kam auf ein Sperrkonto der “Zentralstelle für jüdische Auswanderung“, einer Zweigstelle des Sicherheitsdienstes. Die IKG konnte über dieses Geld nicht verfügen.
1942 diente die Synagoge dem Arbeitsamt als Auffanglager für russische Zwangsarbeiter. Zu diesem Zweck wurde ein Teil des Gebäudes vom städtischen Bauhof adaptiert und mit 76 Strohsäcken ausgestattet. 1945 wurde das Haus durch Bombensplitter weiter beschädigt. Die Rote Armee verwendete die Synagoge als Getreidespeicher und Möbellager und gab sie im April 1947 an die Stadt zurück. Die Rückgabe an die IKG Wien als Rechtsnachfolger zog sich bis zum Juni 1954 hin.
Die IKG Wien verlangte von der Stadt St. Pölten die Rückerstattung der Mieterträge, im Gegenzug forderte die Stadt St. Pölten von ihr die Entschädigung für Instandhaltungskosten und den Kaufpreis zurück. Nach Gegenrechnung aller Ausgaben zahlte die IKG Wien für die Rückgabe der „arisierten“ Liegenschaften 24.252,98 Schilling an die Stadt St. Pölten.
In den folgenden Jahren verfiel das ungenutzte Gebäude weiter, Hunderte Tauben nisteten sich in der einsturzgefährdeten Kuppel ein. Im Jahr 1975 bot die IKG der Stadt St. Pölten die Synagoge zum Kauf an. Die Niederösterreichischen Nachrichten (NÖN) berichteten darüber unter den Titeln „Judentempel zu verkaufen“ bzw. “Brauchen Sie einen Judentempel?“: „Das Angebot der israelitischen Kultusgemeinde macht den St. Pöltner Stadtvätern einiges Kopfzerbrechen. Die Gemeinde hat der Stadt den Judentempel zum Verkauf angeboten. Man wird wahrscheinlich zugreifen, weiß aber noch nicht, was man mit dem Gebäude anfangen soll. – »Haben Sie keinen Interessenten dafür«, fragte Bgm. Schickelgruber die NÖN, und Stadtrat Gruber ist überzeugt, daß man mit geringfügigen Sanierungsarbeiten das Gebäude vorerst einmal erhalten kann. [...] Die Wünsche der israelitischen Kultusgemeinde beinhalten eine Gedenktafel, die Pflege und Instandhaltung des Judenfriedhofs durch die Stadt. Man könnte den Tempel niederreißen und das Areal der Krankenkasse anbieten. Diese hat allerdings schon abgewunken. »Für den Neubau zu ungünstig gelegen, für einen Parkplatz viel zu klein.« Wer kann den Judentempel brauchen?“ – Dem Autor dieses nicht gekennzeichneten Artikels kann man zumindest mangelnde Sensibilität vorwerfen.