„Mein Vater war kein Durchschnittsmensch“, meinte Richard Lustigs Tochter Rosa, „der nur in der Gegenwart lebte. Sondern er hatte die seltene Gabe zu wissen, dass man sein Leben wohl planen muss, dass aber die Ereignisse von einer höheren Macht geleitet werden. Er hoffte, einen Sohn zu haben, der im Gymnasium in St. Pölten maturieren und an der Universität in Wien ein Doktorat erwerben sollte. Da er aber nur Töchter hatte, vier, plante er diese Zukunft glücklicherweise für mich.“ Nach langem bürokratischem Widerstand setzte Richard Lustig seinen Willen durch: 1925 maturierte Rosa als erste Gymnasiastin St. Pöltens. Anschließend inskribierte sie in Wien Chemie und promovierte im Mai 1931. Im Dezember 1931 heiratete sie den Arzt Dr. Ludwig Kubin aus Herzogenburg. Über die schwierigen Anfänge in den USA berichtete Rosa Lustig: „Wir wussten, dass Ludwig in Amerika eine Prüfung machen musste, um eine Lizenz fürs Praktizieren [als Arzt] zu bekommen. Die Oregon Medical Society verlangte sogar ein Jahr Internship in einem anerkannten amerikanischen Spital. Da es daher notwendig war, dass ich unser Verdiener sein musste, veranlasste mich mein Mann, einige Kurse an der Universität und in einem bekannten Laboratorium zu machen. Er sagte ganz richtig, dass Spitäler immer auf der Suche nach Technikern wären und dass für diesen Beruf mangelhafte Sprachkenntnisse kein Hindernis wären. Er hatte Recht und brachte mich in einen für meine spätere Zukunft entscheidenden Beruf. Wir sandten mein Curriculum an meinen Schwager in Portland, um zu sehen, ob Chemiker oder Techniker gesucht wären. Es wurde leider nicht erwähnt, dass ich nur wissenschaftlich arbeiten konnte, da ich kein Englisch sprach, obwohl ich intensiv studierte und ca. vier Monate Sprachunterricht bei einer Englisch-Lehrerin hatte, die leider eine Engländerin war und nicht eine Amerikanerin. Zu dieser Zeit wusste ich nicht, wie verschieden die Aussprachen derselben Sprache sind. […] Mein Mann studierte für das Staatsexamen, um die Lizenz [...] zu bekommen. […] Er versuchte sein Glück in Idaho, wo gerade eine Prüfung angesagt war; leider ohne Erfolg. Durch die Empfehlung eines Arztes fand er einen Posten. Er war nominell nachts »der Diener« in einer Anstalt zur Entwöhnung von Alkoholikern, aber in Wirklichkeit war er der Arzt, wenn einer gebraucht wurde.“ Erst 1941 gelang es den beiden, entsprechende Anstellungen zu finden, und sie zogen nach Waltham/Boston: Ludwig arbeitete als Assistenzarzt im Waltham Hospital und Rosa als Assistenzprofessorin für Chemie an der Middlesex University (ab 1947 Brandeis University). Rosa Kubin verstarb 2003 in Needham, Massachusetts.
“My father was not an average person,” said Richard Lustig's daughter Rosa, “who only lived in the present. Instead, he had the rare gift of knowing that you have to plan your life, but that events are guided by a higher power. He hoped to have a son who would graduate from the grammar school in St. Pölten and earn a doctorate at the university in Vienna. But as he only had daughters, four, he fortunately planned this future for me.” After much bureaucratic resistance, Richard Lustig got his way: In 1925, Rosa was the first grammar school pupil in St. Pölten to graduate. She then enrolled chemistry at the University of Vienna and graduated in May 1931, marrying the doctor Ludwig Kubin from Herzogenburg in December 1931. Rosa Lustig reported on the difficult beginnings in the USA: “We knew that Ludwig had to take an exam in America in order to get a licence to practice [as a doctor]. The Oregon Medical Society even required a year's internship in a recognised American hospital. Since it was therefore necessary for me to be our earner, my husband made me take some courses at the university and in a well-known laboratory. He quite rightly said that hospitals were always looking for technicians and that a lack of language skills was no obstacle to this profession. He was right and got me into a profession that would be decisive for my future. We sent my curriculum to my brother-in-law in Portland to see if they were looking for chemists or technicians. Unfortunately, it was not mentioned that I could only work scientifically because I did not speak English, although I studied intensively and had about four months of language lessons with an English teacher, who unfortunately was an Englishwoman and not an American. At that time I didn't realise how different the pronunciations of the same language were. [...] My husband studied for the state exam to get his licence [...]. [...] He tried his luck in Idaho, where an exam had just been scheduled; unfortunately without success. He found a job through the recommendation of a doctor. He was nominally ‘the servant’ at night in an alcoholics' rehabilitation centre, but in reality he was the doctor when one was needed.” It was not until 1941 that they both managed to find suitable jobs and moved to Waltham/Boston: Ludwig worked as an assistant doctor at Waltham Hospital and Rosa as an assistant professor of chemistry at Middlesex University (Brandeis University from 1947). Rosa Kubin died in 2003 in Needham, Massachusetts.