Dr. Julius Fischer promovierte am 16. März 1907 an der Universität Wien zum Dr. iuris und machte nach dem Ersten Weltkrieg in St. Pölten eine bemerkenswerte politische Karriere als sozialdemokratischer Finanzstadtrat. Am 7. Oktober 1926 wurde er als Ersatzmitglied für den verstorbenen Ferdinand Gerdinitsch im niederösterreichischen Landtag angelobt. Inwieweit Julius Fischer aktiv in die Februarunruhen 1934 verwickelt war, ist unklar. Jedenfalls erhielt er wie auch Franz Bondy, ebenfalls Mitglied der IKG St. Pölten, und eine Reihe anderer prominenter St. Pöltner Sozialdemokraten wie etwa Heinrich Schneidmadl und Dr. Wilhelm Steingötter, im Juni 1934 einen Bescheid der niederösterreichischen Sicherheitsdirektion, in dem er zur Leistung von Kostenersatz von 5.403,81.- Schilling aufgefordert wurde: „Durch die am 12. Februar 1934 in St. Pölten ausgebrochenen Unruhen sind der Stadtverwaltung St. Pölten außerordentliche Kosten für Bereitschaftsgebühren erwachsen. Sie haben in der sozialdemokratischen Partei eine prominente Stellung eingenommen und haben die Ziele dieser Partei stets verfochten. Ihrem Einfluss ist es daher nicht zum geringsten Teile zuzuschreiben, dass die Arbeiterschaft in einer Weise radikalisiert wurde, die zu den Unruhen führte. Sie haben daher die strafbaren Handlungen im Februar 1934 mittelbar begünstigt und gefördert und somit mitverschuldet." Am 18. April 1934 wurde er um 05:45 Uhr wegen seines sozialistischen Engagements verhaftet und im Anhaltelager Wöllersdorf interniert. Im Mai 1934 schrieb die Arbeiter-Zeitung: „Stadtrat Dr. Julius Fischer in das Konzentrationslager Wöllersdorf gebracht. Dr. Fischer hatte die Verteidigung aller in St. Pölten angeklagten Schutzbündler übernommen; man hat ihn ins Konzentrationslager geschafft, um die Schutzbündler ihres Verteidigers zu berauben." Unklar ist, ob sich diese Meldung auf die Verhaftung vom 18. April bezog oder ob Fischer im Mai nochmals verhaftet wurde. Die Darstellung der Arbeiter-Zeitung, wonach Fischer alle Schutzbundkämpfer St. Pöltens verteidigt hätte, ist übertrieben; er trat lediglich als Anwalt des Malergehilfen Viktor Rauchenberger in Erscheinung. Bei einem späteren Standgericht übernahm er abermals die Verteidigung. Fischer galt als „gehässiger Gegner des Nationalsozialismus, dessen Gegner er mit seinen Mitteln unterstützte." Drei Monate nach dem „Anschluss" verfügte Bürgermeister Hörhann in einer Dienstbesprechung die Auflösung des Mietvertrages für Fischers Kanzlei in der Hess-Straße 6 sowie die Ablöse der Einrichtung und die Übersiedlung des Bezirksschulrates in diese Räumlichkeiten. Am 10. November 1938 wurde Fischer verhaftet, und bereits tags darauf lud die Stadtverwaltung seine Frau Hilda telefonisch ins Rathaus vor, um in ihrem sowie im Namen ihres Mannes einen Kaufvertrag über das Haus in der Heidenheimerstraße 21 zu unterschreiben. Dr. Fischer war von der Gestapo gezwungen worden, seiner Frau eine Verkaufsvollmacht auszustellen, da dem Ehepaar das Gebäude zu gleichen Teilen gehörte. Die Stadt bestimmte den Preis für den von ihr arrangierten Zwangsverkauf mit 15.500.- RM – der Schätzwert betrug 16.518.- RM. Erlöse von Zwangsverkäufen standen den jüdischen Verkäufern nicht zur Verfügung, sondern musste auf einem Sperrkonto deponiert werden. Nachdem das Ehepaar Fischer sein Haus räumen musste, wohnte es vorübergehend bei Anna Reis in der Josefstraße 7 in einem Zimmer zur Untermiete. Am 19. Mai 1939 meldeten sich Julius und Hilda Fischer nach Paris ab und gelangten schließlich nach New York, wo Dr. Fischer am 05. September 1943 verstarb. Kurz vor seinem Tod wurde er angeblich mit der Abfassung einer Studie über Wohnbau-Kooperative unter dem Gesichtspunkt der Wohnbedürfnisse amerikanischer Familien mit niedrigem Einkommen beauftragt. In einem Schreiben vom 18. September 1946 aus New York an die Stadt St. Pölten beginnend mit den Worten, „Wie ich als der Stadtverwaltung bekannt annehmen darf [...]," gab Frau Fischer ihre Rückstellungsansprüche bekannt. Der zuständige Magistratsbeamte wies darauf hin, dass das Haus im Dezember 1938 an den Reichsfiskus Heer verkauft wurde, da dieser auf den Erwerb bestand und es ablehnte, die „Arisierung" selbst durchzuführen. Als nunmehrig „deutsches Eigentum" stand das Haus unter sowjetischer Verwaltung. Das Antwortschreiben schließt mit folgendem Absatz: „Die Nachricht vom Ableben ihres lieben Mannes hat mich mit aufrichtiger Teilnahme erfüllt. Ich habe ihn als Mitarbeiter beim Aufbau der Stadtverwaltung nach dem Ersten Weltkrieg in den Jahren 1919 bis 1934 als vielerfahrenen, gerechten und unermüdlich fleißigen Mann kennengelernt, der ein solch tragisches Schicksal nicht verdient hat und nun in fremder Erde ruht. Hoffentlich bietet Ihnen die kommende Zeit einen, wenn auch nur geringen Ausgleich für das große Leid, das Ihnen seit 1938 widerfahren ist." Die Rückstellung durch die Republik Österreich, die das „deutsche Eigentum" übernommen haben dürfte, erfolgte erst 1958; Hilda Fischer hatte noch 5.000.- Schilling zu bezahlen. Im Februar 1946 wurde sie amerikanische Staatsbürgerin. Heute ist im Norden St. Pöltens eine Straße nach Dr. Julius Fischer benannt; Hinweise auf seine politische Tätigkeit sind jedoch spärlich.
Dr. Julius Fischer received his doctorate in law from the University of Vienna on 16 March 1907 and made a remarkable political career in St. Pölten after the First World War as a Social Democratic councillor for finance. On 7 October 1926, he was sworn in as a substitute member of the Lower Austrian state parliament for the deceased Ferdinand Gerdinitsch. It is unclear to what extent Julius Fischer was actively involved in the February riots of 1934. In any case, like Franz Bondy, also a member of the IKG St. Pölten, and a number of other prominent St. Pölten Social Democrats such as Heinrich Schneidmadl and Dr. Wilhelm Steingötter, he received a notice from the Lower Austrian Security Directorate in June 1934 requesting him to pay compensation of 5.403,81 Schillings: “The riots that broke out in St. Pölten on 12 February 1934 caused the St. Pölten city administration to incur extraordinary costs for standby charges. You have occupied a prominent position in the Social Democratic Party and have always championed the aims of this party. It is therefore not in the least attributable to their influence that the working class was radicalised in a way that led to the unrest. They therefore indirectly favoured and promoted the criminal acts in February 1934 and were therefore partly to blame.” On 18 April 1934, he was arrested at 05:45 a.m. for his socialist activities and interned in the Wöllersdorf detention camp. In May 1934, the Arbeiter-Zeitung wrote: “Councillor Dr Julius Fischer was taken to the Wöllersdorf concentration camp. Dr. Fischer had taken over the defence of all the Schutzbündler accused in St. Pölten; he was taken to the concentration camp in order to deprive the Schutzbündler of their defender.” It is unclear whether this report referred to the arrest of 18 April or whether Fischer was arrested again in May. The Arbeiter-Zeitung's report that Fischer had defended all Schutzbund fighters in St. Pölten is exaggerated; he only appeared as the lawyer for the painter's assistant Viktor Rauchenberger. At a later court martial, he again took over the defence. Fischer was regarded as a “spiteful opponent of National Socialism, whose opponents he supported with his own resources.” Three months after the Anschluss, Mayor Hörhann held an official meeting at which he ordered the cancellation of the lease for Fischer's office at Hess-Straße 6, the replacement of the furnishings and the relocation of the district school board to these premises. Fischer was arrested on 10 November 1938, and the very next day the city administration summoned his wife Hilda to the town hall by telephone to sign a purchase contract for the house at Heidenheimerstrasse 21 on her behalf and on behalf of her husband. Dr Fischer had been forced by the Gestapo to issue his wife with a power of attorney to sell, as the couple owned the building in equal shares. The city set the price for the forced sale it had arranged at RM 15.500 – the estimated value was RM 16.518. Proceeds from forced sales were not available to the Jewish sellers, but had to be deposited in a blocked account. After leaving their house, couple temporarily lived with Anna Reis at Josefstraße 7 in a sublet room. On 19 May 1939, Julius and Hilda Fischer deregistered to Paris and finally arrived in New York, where Dr. Fischer died on 5 September 1943. Shortly before his death, he was allegedly commissioned to write a study on housing co-operatives from the point of view of the housing needs of low-income American families. In a letter dated 18 September 1946 from New York to the city of St. Pölten, beginning with the words, “As I may assume is known to the city administration [...],” Mrs Fischer announced her restitution claims. The responsible municipal official pointed out that the house had been sold to the “Reichsfiskus Heer” in December 1938, as the latter insisted on the acquisition and refused to carry out the “Aryanisation”. As “German property”, the house was now under Soviet administration. The reply concludes with the following paragraph: “The news of the passing of your dear husband has filled me with sincere sympathy. I got to know him as an experienced, just and tirelessly hard-working man when I worked with him to rebuild the city administration after the First World War between 1919 and 1934. He did not deserve such a tragic fate and now rests in foreign soil. Hopefully the time to come will offer you some, if only slight, compensation for the great suffering that has befallen you since 1938.” Restitution by the Republic of Austria, which probably took over the “German property”, did not take place until 1958; Hilda Fischer still had to pay 5.000 Schillings. She became an American citizen in February 1946. Today, a street in the north of St. Pölten is named after Dr. Julius Fischer; however, there are few references to his political activities.